Immer wieder Sonntags anhören
Die Hälfte dieser Woche war geprägt vom Arbeiten (also für Euch nicht sonderlich interessant), die andere Hälfte von Erkenntnissen. Letztere waren möglich, nach dem letzten Mini-Workshop, der außerhalb der Gefährtinnenreihe extra von Magdalena für uns organisiert wurde, um die Sommerpause ein bisschen erträglicher zu machen und eben auch, um anderen Themen Raum zu geben. Die thematische Hauptausrichtung für diesen Workshop hatten wir Frauen uns ausgesucht: Sexualität.
Grundsätzlich ist das für mich ein sehr intimes Thema, das hier auf dem Blog keinen Platz finden soll. Mir geht es viel mehr um das Drumherum, das sich für mich, durch die Erfahrungen an diesem Abend, aufgetan hat. Wir hatten an diesem Abend, da wir insgesamt nur acht oder neun Personen waren, die Möglichkeit, ein wenig zu erzählen. Über uns und das, was uns beschäftigt, aber auch was die Gefährtinnenreihe bisher in uns bewirkt hat. Alles war erlaubt.
Im Normalfall wird in den Workshops wenig geredet. Der Fokus liegt auf dem Erleben und Spüren und das kommt mir sehr entgegen, weil ich Probleme, Sorgen und Sehnsüchte gerne verdränge und nicht zum Thema mache, es sei denn man spricht mich (wie Marius) direkt darauf an. An diesem Abend habe ich aber einen Bruchteil dessen, was mich belastet, doch mal ausgesprochen.
Es hat ein anderes Gewicht, wenn man sich mit seinen Wunden in einer solchen Gruppe zeigt. Etwas ganz Wunderbares passierte, das mich sehr berührte: ich konnte spüren, dass die Frauen mich und meine Verletzungen sehen und anerkennen. Und es gab ein noch tiefer gehendes Gefühl der Gemeinschaft für mich, weil es einigen ähnlich geht wie mir.
Gleichzeitig habe ich aber ziemlich schnell das gemacht, was ich „am besten“ kann: mich in Frage stellen und alles zerdenken. Ich hab angefangen das, was ich zuvor erzählt habe, zu hinterfragen und doof zu finden. Habe mich für mein „Verhalten“ geschämt und mich selbst runter gemacht. Erkannt habe ich das aber erst zwei Tage später.
Es gab das Experiment, von dem ich Euch hier schon mal erzählte. Die „Kuschelwiese“, die wir mit verbundenen Augen betreten. Donnerstag gab es zusätzlich noch eine zweite Insel, die man, für was auch immer, nutzen konnte. Insgesamt steht uns völlig frei, was wir tun wollen. Mit „Ja“, „Nein“, „Mehr“ und „Auf Wiedersehen“ können wir uns verständigen, ansonsten soll das Ganze aber wortlos ablaufen. Es geht darum, sich absichtslos zu erkunden. Alleine diese Worte lösen in mir totalen Widerstand aus. Mehr noch, als beim ersten Mal. Damals konnte ich das Experiment ja sogar einigermaßen genießen.
Dieses Mal war mir das nicht möglich. Ich hatte mich zwar bewusst in die Mitte gesetzt, statt an den Rand, um das „Aussenseiter“-Gefühl nicht erneut selbst zu erzeugen, aber das hatte keinerlei Effekt. Mein gesamter Kopf war damit beschäftigt, alles abzulehnen und in Frage zu stellen. Insbesondere mich selbst.
„Was soll das hier? Hat da jemand grad schon Auf Wiedersehen gesagt? Das ist ja krass, so schnell. Das würd ich mich gar nicht trauen. Ist da was passiert? Eigentlich wär ich gern auf der zweiten Insel. Ich trau mich nicht. Bestimmt ist da schon jemand, der gern alleine wäre. Dann stör ich. Oh man. Wie können andere das eigentlich genießen? Ich kannt nicht einfach so jemanden blind kraulen, das ist doch völlig bescheuert. Was ist, wenn man plötzlich aus versehen an die Brust kommt oder in den Schritt packt oder so? Oder wenn ich jemanden streichle und der sagt „Auf Wiedersehen“. Das würde mir irgendwie auch weh tun. Ich kann außerdem gar nicht kraulen. Stinke ich eigentlich? Auf jeden Fall hab ich nasse Haare vom Schwitzen. Widerlich. Du kannst gar nix. Nicht mal dich hier einfach einlassen. Dabei ist es doch eigentlich so schön. Mute dich zu, sagt sie. Mute dich zu. Ich bin unzumutbar! Vor allem jetzt in dieser dämlichen Scheißsituation. Bestimmt sehe ich total bekloppt aus, weil ich wie ein Stein im Kreis sitze. Ein bisschen streicheln kann ich ja mal. Wie bescheuert sich das anfühlt. Aber die sind auch alle ineinander verwurschtelt, da pass ich gar nicht rein. Geborgenheit fühlen fänd ich aber schon schön. Wenn mich jemand mal in den Arm nehmen würde hier zum Beispiel. Streck ich nochmal die Hand aus. Oh, ne. Die hat schon jemanden im Arm. Ach man, ich hab schon wieder das Gefühl, nicht richtig zu atmen und mein Kiefer ist völlig angespannt. Ob ich mich mal richtig hinlegen soll? Vielleicht wirkt das entspannter. Entspann Dich doch mal, Sandra. Entspann dich. Mein Kopf ist total voll. Und wie ich hier lege. Wie ein Brett, Sandra, wie ein Brett liegst Du da rum. Wie bescheuert Du bist. Anstatt das einfach mal zu zu lassen und zu genießen. Kein Wunder, echt. Das kannst Du null. Schalt doch endlich mal deinen scheiß Kopf aus…“
Meine Gedanken dazu sind ziemlich genau das und sicher noch viel mehr gewesen. Wenn ich es nochmal so „nach denke“ und schwarz auf weiß lese, werd ich ganz traurig. Weil ich fühlen und erkennen kann, wie sehr ich mich selbst limitiere, ja sogar regelrecht fertig mache. Meine Gedanken werden mir in den letzten Wochen immer bewusster. Einerseits ein Schritt in die richtige Richtung, um all diese negativen Gedanken und Glaubenssätze irgendwann auflösen/ersetzen zu können, andererseits ist es aber auch belastend und macht mich selbstverständlich auch fürchterlich traurig.
Ich will immer alles SOFORT. Ich wehre mich innerlich gegen all diesen Blödsinn, den ich da in meinem Kopf veranstalte und will es weg haben. Ich bin dann oft wie ein trotziges Kind. Wütend, von mir selbst genervt und letzten Endes auch verzweifelt. Weil ich eben nicht so schnell „da raus komme“, wie ich gern würde. Weil ich in der Theorie weiß, wie wundervoll ich bin, wie liebenswert und einzigartig, aber es, zur Hölle nochmal, einfach nicht spüren kann. Ich spüre kaum Selbstwert oder Selbstvertrauen und rede mir genau das auch vehement immer mehr ein. Ich meißel mir das alles in meine Schädeldecke, so kommt es mir gerade jedenfalls vor.
Wie sehr ich mich selbst limitiere und irgendwie ja regelrecht sabotiere, das ist mir bewusst geworden. Nach dem Workshop und dem darüber nachdenken, ist es mir wirklich richtig vor Augen geführt worden. Auch dass das für mich nichts Neues ist, sondern im Gegenteil eigentlich so ist, seit ich denken kann. Dass ich schon als junges Mädchen im Turnverein oft dachte, dass ich gar nicht so gut bin, wie die anderen, dass ich zu dick bin (damals war ich allerdings komplett schlank und von dick locker 60 Kilo entfernt), dass ich doof aussehe, nicht dazu gehöre. Als Jugendliche dann zum Beispiel, dass ich hässlich bin, nicht küssen kann (und es deshalb auch 18 Jahre meines Lebens nicht ausprobierte), nicht tanzen kann (und es deshalb, außer im Vollrausch, 32 Jahre meines Lebens vermied) und so weiter und so fort.
Gleichzeitig habe ich aber auch immer gedacht, dass die Dinge so und so sein müssen. Dass ich so sexy-locker sein muss, wie meine damaligen Freundinnen (weshalb ich mir mit 13 einen festen Freund erfand), dass ich so und so aussehen muss, dieses und jenes tun muss. Immer wieder erfand ich mir Geschichten, Ansichten o.ä., damit die Leute lachen, sich wundern und mich beachten. Ich nahm viele gespielte Rollen ein und spielte einige Geschichten so gut, dass ich sie mir manchmal selbst glaubt.
Mit der Zeit wurde dieses Verhalten zwar weniger, aber angefangen, wirklich ehrlich zu mir zu sein, habe ich erst, als ich Marius kennen lernte. Erst da hörte ich auf, mir Dinge zu erfinden, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Geblieben sind aber diese vernichtenden Gedanken über mich selbst. Wann immer ich einen dieser Gedanken auflöse, kommt irgendein neuer hinzu. In Situationen, in denen ich unsicher bin, ist mein Kopf voll davon. So sehr, dass ich mich absolut null auf die Situation einlassen kann.
Loslassen ist dann eben nicht mehr möglich. Mittlerweile weiß ich zumindest, dass das so ist und werde, wenn ich die Gedanken bemerke, entsprechend traurig. Weil ich spüre, was ich mir selbst damit antue. Selbstmobbing irgendwie.
Warum ich Euch all das jetzt hier schreibe, wo es doch so privat ist? Weil ich weiß, dass es vielen sehr ähnlich geht und die Erkenntnis in dieser Woche für mich SO hoch wichtig war. Und natürlich möchte ich Euch an meinem Weg teilhaben lassen. Die weitere Thematik, in Bezug darauf, wie ich dieses Verhalten los werde(n möchte), wird Euch irgendwann auf Frau-Achtsamkeit begegnen. Was mir hilft und was nicht. Womit ich Probleme habe, wie ich sie löse. All das eben, wenn die Zeit reif ist.
Uff. Was eine schwere Abhandlung.
Jedenfalls war der Rest der Woche eben vor allem von Arbeit und Spaziergängen geprägt. Außerdem waren wir einkaufen und fahren heute Nachmittag noch zu Lexa, um da zu fünft lecker zu essen und ein bisschen zu quatschen. Das hatten wir schon länger geplant und setzen es jetzt mal um. Darauf freuen wir uns total. Ansonsten war in dieser Woche nichts weiter, reicht aber ja auch locker, oder?
|Gesehen| die ersten Kastanien
|Gelesen| gelesen nix, aber gehört!
|Gehört| das Hörbuch zu „Gelassenheit beginnt im Kopf„*
|Getan| gearbeitet, gekocht, geredet, gequatscht, gegangen, gelaufen, gehört, gedacht, gewachsen, geweint
|Gegessen| siehe Was essen wir heute? – besonders lecker war das Tofu Tikka Masala
|Gedacht| Ach, mensch, Sandra <3
|Gefreut| über Marius Rückhalt & Verständnis, gute Gespräche und einen Augen öffnenden Workshop
|Geärgert| über nix
|Gewünscht| Befreiung
|Gekauft| Blühende Fantasie: Die eigene Lebensvision gestalten, außerdem non-permanent Marker für unseren immerwährenden Kalender und den Workshop „Schattengefühle“ bei Magdalena
|Geliebt| meine Fähigkeit zur Selbstreflexion, meine Ehrlichkeit und meine Erkenntnisse
|Geschrieben| über DIY Kosmetik Geschenkideen für Männer, meine drei Lieblings Achtsamkeits-Apps und über zwei Bücher zum Thema autogenes Training
|Geplant| zwei Webinare, Gefährtinnen Workshop, Einkaufen, meiner Oma und meinem Opa beim Sperrmüll helfen, Straßenfest in Werne und ein Gerichtstermin (wir haben geklagt ;-) )