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|Gesehen| „Prostitution von Minderjährigen: Taschengeld-Treffen auf Kleinanzeigen – Portalen“ und den Film „Countdown*“ (war nicht so gut – leider gibt es nur wenige Filme, die mir wirklich gut gefallen)
|Gehört| Wilhelmine „Eins sein„, Aloe Blacc & LeAnn Rimes – „I Do“ und meine Playlists
|Getan| gearbeitet, gegangen, gespielt, geredet, gelacht, geweint, geregelt, getanzt, gefreut, genossen
|Gefreut| über eine sehr gute Nachricht, mein neues Service* und einen spontanen Ergotherapietermin
|Gelesen| „Die Welt der Naturgeister*“ (den Parts über die Entfernung des Menschen zur Natur und den Missständen unserer Gesellschaft stimme ich sehr zu, der Rest des Buchs ist für mich aber ähm… naja)
|Geschrieben| das Rezept für einen Spinatsalat mit Datteln & Tofeta
|Geplant| eine Herzensangelegenheit regeln, aussortieren für den Sperrmüll und meine erste Ergotherapiestunde in einer ADHS-Gruppe ausprobieren
Angst
Während Marius und ich vor einigen Wochen über die Autobahn zur Wuppertalsperre fuhren, fiel mir auf, dass ich seit einem Jahr keine unangenehmen Angstgefühle mehr hatte.
Ich kam darauf, weil wir diese Strecke zuvor mehrmals pro Jahr fuhren, wenn wir Familie/Freunde außerhalb von Wuppertal besuchten und mir immer schlecht war und ich mich unwohl fühlte. Dieses Mal aber eben nicht.
Vor fast genau einem Jahr schrieb ich in „Immer wieder Sonntags„:
Für mich ganz persönlich gibt es gerade nicht diesen typischen Druck.(…) Ich habe keine “Das macht man aber so” Pflichten. Keine Einladungen zu Geburtstagen oder Hochzeiten oder anderen “sozialen Aktivitäten”, zu denen ich mich verpflichtet fühle, aber eigentlich nicht gerne hingehe. Kein vorwurfsvolles “Wir müssen uns aber auch endlich mal wieder sehen!” oder “Du meldest dich nie!”. Ich fühle mich zum ersten Mal völlig frei in meiner Entscheidung und habe absolut kein schlechtes Gewissen oder ungutes Gefühl, die nächsten Wochen und Monate nur mit mir und/oder Marius zu sein.
Und einige Wochen später führte ich es >>hier<< noch weiter aus:
(…)Wenn ich morgens aufwache, ist da Leichtigkeit und Euphorie, wenn ich feststelle: gerade bist du gesellschaftlich frei. Es gibt keine (im weitesten Sinne fremdbestimmten) Termine, Verpflichtungen, Erwartungen oder Bedürfnisse für dich zu erfüllen. Und du kommst auch nicht in die Bredouille, etwas erfüllen zu müssen.(…)
Seit März 2020 lebe ich einen Alltag, der fast vollständig losgelöst von klassischen, gesellschaftlichen Verpflichtungen ist und mir gleichzeitig einen Großteil der Freiheiten bietet, die für mich wichtig sind. Sämtliche Geburtstage, Hochzeiten und andere Festivitäten wurden abgesagt und ich habe mich (für mich!) darüber gefreut.
Ich habe mich in diesem Jahr ausschließlich Terminen und Verabredungen gewidmet, die MIR wichtig sind. Kein Wunder also, dass der Teil meiner Ängste, der durch Situationen hervorgerufen wird, in denen ich mich nicht wohl fühle, sich in dieser Zeit überhaupt nicht angesprochen gefühlt hat.
Aktuell habe ich tatsächlich Sorge, dass irgendwann, wenn der Alltag wieder gesellschaftskonform läuft, alle so wild darauf sind, ihre Festlichkeiten nachzuholen, ich mich aber nicht genug abgrenzen kann.
Wie weit darf ich gehen, um meine Bedürfnisse zu achten?
Im weiter oben angesprochenen Zusammenhang stelle ich mir diese Frage momentan häufig. Die Bedürfnisse anderer zu erfüllen, wird in die eine Richtung regelrecht vorausgesetzt:
-> „Ich habe Geburtstag / Ich heirate und lade dich ein.“ -> Du kommst ODER du hast einen AUßERORDENTLICH WICHTIGEN Termin (-> insbesondere bei Hochzeiten gelten allerdings, wenn überhaupt, nur Geburten und Todesfälle als ‚akzeptabel‘ 😅) -> Mein Bedürfnis ist, mit dir an DIESEM Tag Zeit zu verbringen. Punkt. Ende des Gesprächs.
Das Bedürfnis des eingeladenen Menschen ist irrelevant, weil: „Man heiratet schließlich nur einmal“, „Eine Stunde Zeit kann man sich ja wohl mal nehmen!“, „Es ist nur ein Tag im Jahr.“ usw.
Es gibt (für die meisten Menschen) keine Diskussionsgrundlage. Sie reden Tag ein Tag aus davon, wie wichtig „Nein!“ sagen („Sag doch einfach Nein“😏) , Selbstfürsorge und Selbstbestimmung sind. Aber spätestens hier hört der Spaß dann auf.
„Sag doch einfach ehrlich ‚Nein‘!“
Bei Ausreden sind die Leute kurz traurig, aber dann ist es meist schnell wieder gut. Bei einem „Ich habe heute/in dieser Konstellation/… keine Lust / ich fühle mich damit nicht wohl/…“ hingegen, verhält es sich anders. Das ist (meist) nicht vorgesehen und wird als Anstellerei, Dreistigkeit und/oder Ablehnung der eigenen Person angesehen.
Eine Einladung mit einem „Nein, danke. Aber ich habe keine Lust“ abzusagen, ist nicht nur Lava, sondern für viele absolut kein adäquater und akzeptabler Grund. Besonders innerhalb engerer Bande nicht.
Das Video zeigt GROßARTIG, was ich meine. HIER KLICK gibt es das Video auch mit deutschen Untertiteln, für alle die nicht so gut Englisch können.
Wer ein bisschen googelt, findet zig Artikel, die es regelrecht als menschliche Pflicht erachten, Einladungen anzunehmen. Häufig liest man sowas wie „Was würden Sie denn sagen, wenn jemand ihre Einladung einfach aus Unlust/Unbehagen ausschlägt? Da wären Sie doch auch sauer!“
Äh, nein. Für mich war und ist es, eben gerade weil ich weiß, wie belastend es ist irgendwo zu sein, wo man gerade nicht sein möchte, kein Grund sauer zu sein oder mich abgelehnt zu fühlen, wenn jemand keine Lust hat.
Sich Dinge schön saufen ist gesellschaftskonformer als „Nein!“ sagen
Ich erinnere mich an zig Familienfeste mit meiner Familie, bei denen wir im Vorfeld überlegten, ob wir ‚vorglühen‘ und uns die Kante geben, damit wir das Fest überstehen. Dann saßen wir uns stundenlang gequält den Hintern platt und schmiedeten währenddessen Pläne, wie wir am schnellsten aus der Nummer raus kommen oder ob es sich lohnt, so viel zu trinken, dass es ‚lustig‘ wird. Alles nur, um am Ende zu sagen „Was für ein Scheiß Abend. Aber für dieses Jahr haben wir es geschafft.“.
Und ich erinnere mich auch daran, wie wir uns öfter in unserer eigenen Wohnung versteckten, weil jemand unangekündigt zu Besuch kam und ein „Nein, heute passt es nicht. Bitte melde dich an, bevor du zu Besuch kommst!“ möglicherweise die Besucher hätte kränken und so zu Problemen führen können.
Fast jeder kennt diese Zusammenkünfte, auf die man keine Lust hat und bei denen man sich quält, weil „Nein-sagen“ scheinbar keine Option ist. Und doch erwarten die meisten, für ihre eigenen Einladungen, den selben ‚Zwang‘.
Ich weiß noch, wie oft ich mich als Teenager und junge Erwachsene dafür entschuldigen/rechtfertigen musste, weil ich auf Geburtstage gewisser Verwandter/Bekannter nicht mehr hin wollte oder ging. „Das gehört sich einfach nicht.“ „Das kannst du nicht machen.“.
Offenbar ist es vielen lieber, die Leute zwängen sich, anderen zu Liebe, in eine Situation, mit der sie sich gar nicht wohlfühlen, als dass sie für sich sorgen.
365 Tage im Jahr dieselben Gefühle & Bedürfnisse?
Ich gehöre zu den (offenbar sehr seltenen?) Menschen, die ungerne feste Termine machen und lieber spontan danach planen, wozu sie HEUTE Lust und Zeit haben. Ich lebe gerne und möglichst viel in den Tag hinein und bestimme besonders im privaten Bereich, aber ebenso beruflich, was ich wann machen möchte.
(Nur am Rande sei erwähnt: eine Lebensart, die spannenderweise SEHR negativ behaftet ist – wenn man danach googelt findet man Aussagen wie „Dann kam der Absturz: Scheidung, Arbeitslos, Wohnungslos, Alkohol. … Zu viel Alkohol, zu viel rumgammeln, zu viel in den Tag hinein leben.“ – vielleicht schreibe ich dazu mal einen eigenen Artikel).
Wenn ich heute festlege, was ich in zwei Wochen mache: woher soll ich wissen, ob es da noch für mich passt? Niemand weiß das. Wir haben nicht rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, dieselben Lebensumstände, Gefühle und Bedürfnisse. Also ich auf jeden Fall nicht.
Mich stressen die meisten Termine. Und das nicht etwa, weil ich am liebsten alleine in einem Keller hocke oder Probleme habe pünktlich zu sein / mich zu organisieren. Sondern schlicht und ergreifend, weil die Vergangenheit in mein Jetzt platzt. Vor drei Wochen, als ich mich verabredete, hatte ich Lust eine Freundin zu treffen, aber JETZT gerade will ich viel lieber raus, dem Vogelgezwitscher lauschen und dabei ein Buch lesen.
Das ist gar nichts Negatives und hat auch nichts mit den jeweiligen Personen zu tun, sondern einzig und allein mit meinen Bedürfnissen. Bedürfnisse, die auch alle anderen haben, aber nicht wahr oder häufiger sogar: nicht ernst nehmen (also nicht so ernst wie z.B. das Bedürfnis danach, anderen zu ‚gefallen‘, indem man ihnen einen Gefallen tut).
Dadurch, dass es teilweise als wichtiger angesehen wird, andere nicht mit einer Absage „vor den Kopf zu stoßen“, hat man weniger häufig ein Problem damit, etwas zu tun, worauf man keine Lust hat / bei dem man sich nicht wohl fühlt. Ich habe mich darüber mal mit meinem Bruder unterhalten (der ganz anders tickt als ich) und er sagte ungefähr sowas wie „Ich mach das dann halt und dann ist es auch gut. Für mich ist das kein großes Ding.“.
Welche Auswirkungen es auf mich hat, wenn ich Dinge tue, bei denen ich mich unwohl fühle
Ich finde es völlig in Ordnung, wenn andere das so für sich entscheiden und leben. Es gibt sicherlich auch große Unterschiede, inwieweit sich das Unterordnen der eigenen Bedürfnisse auf die Person auswirkt. Bei mir führt es in Situationen, in denen ich mich für längere Zeit sehr unwohl fühle, zu psychosomatischen Problemen wie beispielsweise Übelkeit, Darmprobleme, Herzrasen (…) und infolgedessen zu Angst.
Darüber hinaus fällt es mir unwahrscheinlich schwer, Gesprächen zu folgen und mich zu konzentrieren, wenn die Lautstärke (z.B. durch mehrere sprechende Personen + Musik) höher ist oder es um Themen geht, mit denen ich nichts anfangen kann (was gerade auf typischen Feierlichkeiten häufig der Fall ist – Small Talk ist nicht so meins 😅). Mein Körper geht ziemlich schnell in den Sparmodus, ich bekomme Kopfweh und werde extrem müde.
Aber tatsächlich braucht es all das auch gar nicht, als Legitimation dafür, dass jemand zu etwas keine Lust hat.
Ich bin nicht für die Gefühle und Bedürfnisse anderer verantwortlich. Ich kann mich jederzeit dazu entscheiden, für die Erfüllung eines Bedürfnisses einer anderen Person beizutragen, aber es gibt dafür keinen Zwang. Umgekehrt gilt dasselbe. Natürlich ist auch niemand dafür verantwortlich, mir für mein „Nein“ ein gutes Gefühl zu geben, indem es verstanden wird.
Ich möchte nicht auf deinen Geburtstag, weil ich mich in dieser Situation nicht wohl fühle. Du möchtest mich zu deinem Geburtstag einladen, weil du an deinem Geburtstag gerne Zeit mit den Menschen verbringen möchtest, die du magst. Beides ist okay. Nichts davon ist wichtiger oder unwichtiger.
Wie weit darf ich nun gehen?
Ich habe meine Frage falsch gestellt. Es ist eher ein: „Wie weit traue ich mich zu gehen?“ oder „Wie weit bin ich bereit zu gehen?“. Die ganzen Änderungen während der Corona-Pandemie zeigen mir gerade eindrücklich, was für mich möglich ist, wenn ich meine Bedürfnisse achte.
Mit dieser Aussicht steigt auch mein Mut zur Selbstbestimmung und der Wille, weiter zu gehen, als ich es mir bisher zugetraut habe. In Zukunft möchte ich wirklich lernen zu verinnerlichen, dass ich keine Verantwortung für Gefühle und Bedürfnisse anderer trage. Ich habe viel zu oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich Grenzen setze. Nicht zuletzt auch, weil mein Umfeld es nicht gewohnt ist und entsprechend irritiert reagiert, wenn ich „Nein, das will ich nicht.“ (zu was auch immer) sage und ich mich in alte Muster zurück ziehe (z.B. indem ich meine Meinung abschwäche / Ausreden finde / mich rechtfertige oder entschuldige).
Aber was ich zu oft vergesse: Die eigenen Bedürfnisse zu achten bedeutet nicht, dass man nicht dennoch auch zur Erfüllung der Bedürfnisse anderer beitragen kann, wenn man es möchte.
Das ist nämlich der Trugschluss. Zu glauben, man würde oder müsse andere vor den Kopf stoßen, wenn man sein Bedürfnis achtet und deshalb „Nein.“ zu etwas sagt.
Es geht anders
Letztes Jahr machte ich Bekanntschaft mit einer Frau (im Entzückblick erzählte ich davon), die all das, was ich hier geschrieben habe, nicht nur versteht, sondern genauso sieht und lebt. Wir verabreden uns spontan und es ist jederzeit ok, wenn die andere kurz vorher sagt „Leider passt es für mich jetzt nicht mehr.“ bzw. überhaupt zu was auch immer sagt „Nein. Ich habe keine Lust.“.
Diese verbundene Freiheit tut mir unwahrscheinlich gut, weil ich mich zu nichts verpflichtet fühle, kein schlechtes Gewissen und keine Angst habe(n muss). Ich würde mir wünschen, das wäre die Regel und nicht die Ausnahme.
Genuss
In letzter Zeit ist mir eine weitere Sache aufgefallen: es fällt mir immer leichter, meine Freiheiten und die Art und Weise, wie ich mein Leben lebe, zu genießen.
Ich hatte beispielsweise ein schlechtes Gefühl, wenn ich den Tag über nicht ‚genug‘ oder sogar ‚gar nichts‘ mache. Insgesamt wurde mein Alltag von vielen „Du musst xyz machen“- Gedanken begleitet (also z.B. hart arbeiten, geregelte Arbeitszeiten haben, früh aufstehen usw.). Eine Müßiggängerin zu sein war für mich oft eine Art ‚Belastung‘, die es mir beinah unmöglich machte, meine Freiheiten zu genießen.
Das ist nicht mehr so. Ich kann es unwahrscheinlich genießen, mein Leben zu führen, ohne mich damit im Außen schlecht zu fühlen. Es ist sogar eher das Gegenteil eingetreten: ich bin stolz darauf, selbstbestimmt und in weiten Teilen losgelöst von gesellschaftlichen Werten und Normen entscheiden zu können, wie ich mein Leben lebe. Es gelingt mir häufiger, die Vorteile für MICH zu sehen, statt mich darauf zu konzentrieren, was andere erwarten / für richtig halten.
Einerseits habe ich mich weiterentwickelt, bin selbstbewusster und selbstbestimmter geworden, andererseits sehe ich auch hier einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Auch wenn sie mir vorher schon bewusst waren, so sehe und spüre ich die Vorteile meiner Lebensgestaltung gerade ganz besonders. Nicht zuletzt, weil die Nachteile üblicher Lebensweisen stark in den Vordergrund gerückt wurden.
Ich genieße es beispielsweise (und bin unwahrscheinlich dankbar):
- frei entscheiden zu können wann, wieviel, wo und mit/für wem/wen ich arbeite
- Digitalisierung für mich seit 1998 im Alltag zu leben
- online und ohne direkten Kundenkontakt arbeiten zu können
- jederzeit über meine Freizeit bestimmen zu können
- einen Beruf auszuüben, der mich glücklich macht und erfüllt
- nicht 40 Stunden und mehr arbeiten zu müssen
- dass mich eine Wanderung in der Natur absolut erfüllt
- virtuelle Unterhaltungen als nährend, real und normal ansehen zu können
- Dinge wie Cafés, Friseure, Konzerte, volle Shopping-Malls, Partys o.ä. nicht für ein erfülltes Leben zu benötigen
- viel Zeit mit mir zu verbringen
- dass ich mich gut alleine beschäftigen kann und ‚Langeweile‘ kaum eine Rolle in meinem Leben spielt
- regelmäßig auf dem Balkon an der frischen Luft zu essen
- spontan den ganzen Tag ’nichts‘ zu machen, außer mich mit meinen Hobbys zu beschäftigen
Für vieles, bzw. wenn ich darüber nachdenke sogar alles davon, habe ich mich sonst oft schuldig gefühlt oder geschämt und das Gefühl gehabt, dass es nicht richtig oder besonders freakig ist. Der Abbau dieser negativen Gefühle ist für mich sehr befreiend.
Ein bisschen wie „Erwachsen werden“
Die Veränderungen die sich für mich, ganz besonders seit meiner ADHS-Diagnose und der damit einhergehenden Medikation, ergeben, fühlen sich ein bisschen an wie endlich „Erwachsenwerden“. Dinge, die für andere ihr Leben lang normal sind und für mich kaum bis gar nicht möglich waren, werden es plötzlich doch langsam.
Ein ganz simples, aber für mich dennoch unfassbar bedeutendes Beispiel: Meine Unachtsamkeit sorgte in vielen Bereichen dafür, dass ich nur schwer Ordnung halten konnte, vieles „üsselig“ aussah weil ich es nicht wahr nahm und Dinge sehr schnell kaputt gingen. Entweder, weil sie mir z.B. aus der Hand fielen oder weil ich nicht in der Lage war, sie pfleglich zu behandeln. Das galt für einfach alles. Anziehsachen, Einrichtungsgegenstände, Kosmetika usw.
Mein Geschirr war beispielsweise ein Sammelsurium kaputter Teller und Tassen, das mich bei jedem Anblick störte. Ich wünschte mir Ewigkeiten was Neues, wusste aber auch, dass es gar keinen Sinn machte, etwas Neues anzuschaffen, weil es spätestens nach wenigen Tagen kaputt gehen würde.
Mein Verhalten ist dahingehend zwar noch nicht ’normal‘, so dass ich weiterhin Unterstützung brauche und mich massiv anstrengen muss, aber es ist viel besser geworden. Sogar so viel besser, dass Marius und ich es für realistisch hielten, dass ein neues Service* ‚überleben‘ kann. Es stand nun zwei Jahre auf meiner Wunschliste und war gerade 20€ reduziert, so dass ich es mir gegönnt habe.
Für Außenstehende mag das völlig verrückt klingen, aber mir bedeuten diese Fortschritte enorm viel. Ich freue mich jeden Tag darüber, in der Lage zu sein, z.B. (für meine Definition) schönes Geschirr zu haben, mir etwas ‚bessere‘ Anziehsachen zu gönnen, eine ordentliche Wohnung zu haben oder zu sehen, dass mein Smartphone oder meine Barfußschuhe aus 2018 heute immer noch aussehen „wie neu“. Ich kann verantwortungsvoll sein. Das fühlt sich toll an.
Wenn man sein Leben lang damit konfrontiert wurde, etwas nicht zu ‚dürfen‘ oder zu ‚können‘ (und zusätzlich oft für das Verhalten verurteilt wurde, in dem einem unterstellt wurde, dass man faul/dreckig/undankbar o.ä. ist), das man sich nun ermöglichen kann, dann ist diese Veränderung eine wahnsinnig befreiende Errungenschaft, die mir auch viele Ängste und Scham nimmt (z.B. in Bezug darauf, alleine nicht ‚lebensfähig‘ zu sein).
Und sonst so?
Wir haben uns diese Woche spontan zu einem Online-Spieleabend über den Tabletop-Simulator auf Steam verabredet und dort einen lustig-schönen Abend gehabt. Den Simulator gibt es schon seit 2015 und ich feiere diese Erfindung, besonders jetzt, sehr. Man kann jedes (Brett-)Spiel der Welt gemeinsam auf einem virtuellen ‚Spieletisch‘ spielen. Nicht nur Klassiker wie „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Halma“, sondern wirklich alles. Spiele die es ggf. noch nicht gibt, kann man selbst digital erstellen. MEGA gute Alternative zu nicht virtuellen Spieleabenden, wenn man sich an die Bedienung gewöhnt hat.
Diese Woche war auch sonst sehr von Spontanität geprägt. Ich habe kurzfristig einen ersten Termin zum Kennenlernen mit meiner Ergotherapeutin bekommen. Nächste Woche Freitag findet die erste Stunde in einer speziellen ADHS-Gruppe statt und darauf die Woche, habe ich meine erste Einzelstunde. Bisher fühle ich mich in der Ergopraxis sehr gut und vor allem professionell aufgehoben und bin sehr gespannt, wie gut mir die dort zu erlernenden Techniken in meinem Alltag helfen.
Außerdem habe ich mich spontan im Wald verabredet, während Marius und ich kurzfristig entschieden vorher ne Runde Tischtennis zu spielen – das waren ein paar angenehme Stunden.
Vorgestern gab es dann noch eine spontane Brot-Back-Aktion. Ich habe zuletzt Anfang 2020 Brot selbst gebacken, bis dann Hefe und Mehl ausverkauft waren und es mir irgendwie alles zu anstrengend war. Dabei war das gekaufte Brot immer so ein Graus. Irgendwie war ich trotzdem nicht in der Stimmung. Jetzt aber habe ich es wieder zu schätzen gelernt und mein „normales Brot“ und Toastbrot gebacken. Und ja, was soll ich sagen: sie schmecken immer noch großartig ;-)
Zu guter Letzt hat sich bzgl. meiner pflegebedürftigen Oma noch eine Möglichkeit ergeben, die mir in der nächsten Woche eine riesige Last von der Schulter nehmen wird und seit 2018 eine enorme Belastung für mich darstellt. Sobald alles in trockenen Tüchern ist und sich für mich gut anfühlt, werde ich darüber vielleicht noch schreiben.
So viel von meiner Woche und meinen Gedanken. Euch wünsche ich wie immer einen schönen Sonntag und einen guten Start in die neue Woche.