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Vor rund zwei Jahren veröffentlichte ich auf meinem Achtsamkeits-Blog einen Artikel mit dem Thema „Wir sind nicht die Geschichte im Kopf des Anderen„. Heute geht es um dasselbe Thema, nur mit zwei Jahren mehr Erfahrung und anderen Perspektiven.
Inhalte
Das Thema ist gerade besonders präsent, weil durch die Coronakrise bei vielen die Nerven blank liegen und sich durch alles mögliche „getriggert“ fühlen. In der letzten Woche bin ich mit den folgenden Vorwürfen selbst konfrontiert worden oder habe sie aufgeschnappt:
„Mit diesem ganzen Sportscheiß machst du mir und allen anderen, die keinen Sport machen (können) ein schlechtes Gewissen! Zeig doch mal lieber, wie du faul auf der Couch rumgammelst, statt sowas! Es ist ja wohl völlig ok, keinen Sport zu machen! Healthy hier, healthy da. Das ist so furchtbar. Ihr treibt die Leute damit in Depressionen und Essstörungen.“
„Isst du eigentlich auch mal was Ungesundes? Deine veganen Essenspläne sind immer so perfekt. Als Fleischesserin fühle ich mich dadurch total schlecht.“
„Immer diese Veganer. Uh ja, ich esse gerade mein super leckeres, natürlich selbst gebackenes Brot mit Soja-Scheiße drauf. WOW! Da kriegt man echt das Kotzen. Zeigt doch einfach mal das NORMALE Leben, statt allen immer nur einzureden, wie mies sie sind.“
„Als Depressive macht mich deine gute Laune gerade richtig fertig. Ich würde mir wünschen, dass du auch mal die negativen Seiten beleuchtest und Rücksicht auf die nimmst, denen die Sonne nicht aus dem Arsch scheint.“
„Irgendwann machten die ganzen Postings und Storys von ihr mich krank. Denn ich bin ein ganz normaler Mensch ohne Baby im Bauch und ich war nicht weder IMMER noch MEGA glücklich wie sie. Ich habe mich niedergeschlagen und minderwertig gefühlt. Diese Storys mit dem nackten Babybauch und oberglücklichen Momenten von ihr haben mich wortwörtlich zerstört.“
„Diese Super-Muttis sind so schlimm. Tun so, als hätten sie alles im Griff und stellen uns dann hin, als wären wir ach so furchtbar, weil unsere Kinder uns auf die Nerven gehen, wenn sie den ganzen Tag bespaßt werden wollen. Mama hier, Mama da. JAAA, Mama springt natürlich für dich, mein Schatz. Bin ja die Super-Mutti und erziehe dich zur verwöhnten Göre. „
Aus all diesen Aussagen sprechen unerfüllte Bedürfnisse und eine daraus resultierende Frustration. Wenn man sich in die jeweilige Person und ihr Schicksal hinein versetzt, sind die Gefühle die dabei entstehen (z.B. wenn ich davon spreche, wie viel Spaß es mir macht und wie gut es mir tut meinen Morgen mit Sport zu beginnen oder mich vegan zu ernähren), absolut verständlich. Ich kenne das von mir selbst. Und nicht selten schrie ich:
„Du bist schuld daran, wie ich mich fühle!„
Eine Situation oder eine andere Person können Auslöser unserer Gefühle sein, sie sind aber meist nicht die Ursache.
Die Gefühle, die in solchen Situationen entstehen (wie z.B. Schuld, Scham, Neid, Wut, Gier, Angst, Eifersucht o.ä.) sagen uns etwas über Bedürfnisse, die in uns nicht erfüllt werden. Statt Verantwortung dafür zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass wir unsere Bedürfnisse (noch) nicht erfüllen (können), geben wir die Verantwortung ab, in dem wir z.B. sagen:
„Du machst mich traurig!“ „Du machst mich rasend vor Wut!“ „Ich fühle mich nicht gesehen.“ „Ich fühle mich ausgegrenzt.“ „Ich fühle mich bevormundet.“
Trigger sind das neue „Du bist schuld!“
Momentan scheint es in Mode zu sein, von jedem Rücksicht für einfach ALLE Trigger-Eventualitäten einzufordern.
Versteht mich nicht falsch: wenn es um wirklich gefährdende Inhalte geht, die erschütternd oder beleidigend sein können, finde ich es absolut wichtig, davor zu warnen bzw. ggf. sogar auf eine öffentliche Besprechung zu verzichten.
ABER ich halte es für falsch, dass das Wort „Trigger“ gleichbedeutend genutzt wird mit „Das bringt mich auf die Palme“ „Du machst mich wütend.“ „Du bist schuld, dass ich mich xxx fühle.“ und daraus resultierend gefordert wird, dass man doch bitte mal mehr Rücksicht nimmt.
Ein konkretes Beispiel aus einer Instagramstory :
„Leute, ist euch nicht bewusst, dass ihr mit eurem ständigen Sport, die Leute triggert? Dass ihr sie richtig fertig macht damit, dass ihr davon sprecht, wie toll und gut Sport für euch ist? Könnt ihr nicht endlich mal Rücksicht auf die nehmen, für die Sport ein riesiger Kraftakt ist? Nicht nur sagen, dass es OKAY ist, keinen Sport zu machen, sondern es auch mal zeigen? Euer Verhalten ist rücksichtslos und fahrlässig gegenüber allen, die nicht so sind. Schreibt wenigstens eine Triggerwarnung, wenn ihr schon nicht darauf verzichten könnt, darüber zu sprechen.“
Verändere dich selbst, statt andere verändern zu wollen
Die Wahrheit ist: Niemand, außer dir selbst, kann etwas daran ändern, wie du dich fühlst. Niemand kann etwas daran ändern, dass du dich zu faul, zu schwach, zu krank, zu gestresst, zu lieb, zu böse, zu groß, zu klein, zu alt, zu jung, zu dick, zu dünn oder zu was auch immer fühlst, solange du nicht bereit bist, dein Gefühl dazu zu verändern.
Wenn es dich triggert, dass andere beispielsweise glücklich, sportlich, vegan/vegetarisch/…, entspannt, lustig, ehrlich, aktiv, stark, gesund, dünn, dick oder WAS AUCH IMMER sind, dann ist das vorrangig etwas, mit dem du selbst klar kommen musst. Du kannst dich verändern, aber nicht andere Menschen. Und du kannst auch nicht erwarten, dass sich andere für dich verändern.
Selbstreflexion
Wie wäre es stattdessen, wenn du beim nächsten Mal, wenn dich etwas „triggert“ und alles in dir danach schreit, eine Person dafür verantwortlich zu machen, prüfst warum das so ist (wenn die Gefühle verflogen sind). Beschäftige dich lieber damit, wie du dieses Gefühl in dir sehen und verstehen kannst, statt deine Energie damit zu verschwenden, andere für deine Gefühle verantwortlich zu machen.
Wenn du dich mit deinen Gefühlen und alten Emotionen beschäftigst, ist Ehrlichkeit essentiell. Wenn du dich bei der Auseinandersetzung selbst anlügst, wird es dir nicht weiterhelfen. Also versuche ehrlich zu sein, auch wenn es dir weh tut und alte Wunden aufreißt. Einige Ideen für typische Situationen:
„Menschen die Spaß beim Sport haben / sportlich aktiv sind / Sport zeigen und empfehlen, triggern mich / tun mir weh / machen mich wütend / sorgen dafür, dass ich mich schlecht fühle!“
In welchen Situationen kommen diese Gefühle in dir auf? Was machst du gerade, wenn du wütend wirst, weil es um Sport geht? Fühlst du dich anders, wenn du selbst Sport machst? Willst du Sport machen? Willst du sportlich sein? Was macht das mit dir? Was für Gefühle kommen auf, wenn du siehst, wie andere Sport gut finden? Fühlst du dich schwach, falsch, unsportlich? Bekommst du ein schlechtes Gewissen? Was steckt dahinter? Ist es vielleicht der Wunsch danach, auch sportlicher zu sein? Wie definierst du „sportlich sein“? Hast du vielleicht auch zu hohe Ansprüche an dich selbst? Ist der Vergleich, den du mit deinem Leben ziehst, sinnvoll und realistisch? Warum genau regt es dich auf, wenn jemand Sport macht? Ist es für DICH ok, keinen Sport zu machen?
„Das ewige gesunde/vegane/ungesunde/perfekte… Essen nervt mich!“
Wie ernährst du dich? Wie würdest du dich gerne ernähren? Was kannst du dafür tun? Warum isst du das, was du isst? Fühlst du dich mit deiner Ernährungsweise wohl? Wenn Nein: warum nicht? Wieso machen dir andere Ernährungsformen ein schlechtes Gefühl? Hast du ein schlechtes Gewissen? Was steckt hinter dem „Ich finde das völlig übertrieben“ oder „Soll jeder so machen wie er will, aber ich lasse mir mein Essen nicht nehmen“? Was genau löst es in dir aus, wenn jemand zum Beispiel vermeintlich „gesund isst“? Was bedeutet „gesund“ für dich? Gibt es überhaupt „gesundes Essen“? Hat das reine Essverhalten dieser Person Einfluss auf dich? Was stört dich daran?
„Dieses Babyglück/Familienglück/Beziehungsglück/Lebensglück/… kotzt mich so an!“
Bist du glücklich? Was wünschst du dir für dein Glück? Wo fehlt es dir an Glück? Wo bist du unglücklich? Was kannst du dafür tun? Was hast du bisher dafür getan? Ist diese Form des Glücks, die du da siehst, real? Musst du auch so glücklich sein? Ist es sinnvoll / realistisch so glücklich sein zu wollen? Ist das die einzige erstrebenswerte Form von Glück für dich? Ist der Vergleich, den du mit deinem Leben ziehst, sinnvoll und realistisch? Wie ist deine Beziehung zum Leben/zu deiner Partnerin oder deinem Partner/ zu Kindern/zu deiner Familie/…?
Ein konkretes Beispiel aus meinem Leben:
Es gibt eine Person, die mich richtig wütend macht durch ihr Verhalten. Wenn es so weit ist, sprudelt es nur so aus mir heraus. „Die blöde Kuh. Wieder hat sie dieses und jenes gemacht. Das gibt es doch nicht. Ohne Rücksicht auf Verluste. Mir über den Mund fahren….“
Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann ist es nicht die Person, die diese Gefühle in mir auslöst. Sie ist letzten Endes nur die „Vermenschlichung“ alter Emotionen und jemand, der mich an vergangenen Situationen und an meine Wunden erinnert.
Im Moment, in dem ich so wütend bin, will ich das weder sehen, noch (z.B. von meinem Partner) hören. Es macht in solchen Situationen also keinen Sinn, direkt in die Reflexion zu gehen. Aber in einer ruhigen Minute nochmal Revue passieren lassen und sich die Fragen zu stellen, macht sehr viel Sinn. Dann wenn die Gefühle verflogen sind.
Was hat die Person in mir ausgelöst? (z.B. bei mir Wut)
Warum hat sie das bei mir ausgelöst (in meinem Fall zum Beispiel, weil ich mich nicht ernst genommen gefühlt habe)
Warum möchte ich ernst genommen werden? (bei mir z.B. weil ich mich früher oft nicht ernst genommen gefühlt habe)
Sofort wird klar, dass das Verhalten der Person der Auslöser, aber NICHT die Ursache ist. Die reine Erkenntnis heilt die Wunden natürlich noch nicht. Sie verursacht also keine Wunderheilung und auch keine spirituelle Erleuchtung. ABER sie ermöglicht mir, eine andere Position einzunehmen, über den Tellerrand hinaus zu schauen, für mich zu sorgen, anders zu reagieren usw. Reflexion macht Veränderung möglich.
Durchatmen und an die eigene Nase fassen
Wenn du das nächste Mal vor Wut schäumst und andere für deine Gefühle verantwortlich machen und SOFORT ändern willst, atme durch und überlege später, was es mit DIR zu tun hat. Wir alle (ich auch!) sind Meister der (Vor)Verurteilung. Verantwortung finden wir meist eher doof. Gerade wenn es um Schuldfragen geht. (dazu empfehle ich übrigens das Buch „Schuldgefühle*“).
Es ist leichter, die Verantwortung wegzuschieben oder sogar ganz abzugeben, als sich mit seinen eigenen Baustellen zu beschäftigen. Sobald ein Problem auftaucht, wird sofort jemand gesucht, den man zur Verantwortung ziehen kann. Dieses Verhalten erstickt die Möglichkeit zur Veränderung und Selbstreflexion aber im Keim.
Also hören wir doch „einfach“ (HA!) auf, die ewige „Schuldfrage“ zu stellen und andere für unsere Gefühle zur Rechenschaft zu ziehen oder ziehen zu wollen.
Schließlich ist es umgekehrt auch nicht fair, anderen durch unsere Unzulänglichkeiten (bewusst oder unbewusst) etwas Schlechtes vermitteln zu wollen.
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2 Antworten auf „Mir geht es schlecht, du bist schuld!“
Sandra , wieder ein ganz wundervoller Artikel. Ich beschäftige mich gerade in dieser Zeit des Zuhause-Seins sehr viel mehr damit als ohnehin schon. Ich merke, als Erzieherin, die im Moment nicht arbeiten kann/darf, dass mir eigentlich nichts fehlt. Mir fehlen weder die „sozialen Kontakte“ von denen alle sprechen, noch sonst etwas. Ich merke aber, dass das ich mich oft ertappe—-warum ist das so? Bin ich seltsam? Was stimmt nicht mit mir, dass ich so wenige Freunde habe und nichts vermisse?
Ich spüre eine große Erleichterung, mich nicht mehr vergleichen zu müssen. Mich nicht mehr austauschen zu müssen mit Menschen, denen ich NICHTS zu sagen habe. Ich merke, wie sehr mich das alles im Alltag erschöpft und wie stark ich normalerweise die Wut in mir trage. Über Meinungen, die ich nicht nachvollziehen kann. Über Lebensweisen, von denen ich „nichts halte“-weil sie eben nicht meiner entsprechen. Ich stelle fest, dass ich mich im täglichen Geschehen nicht abgrenzen kann und bin noch auf der Suche nach einer Form für MICH, die passt. Du bist für mich eine große Inspiration, weil du so konsequent bist. Das finde ich für mich, noch…, sehr schwierig, weil ich mit zwei Kindern oft gezwungen bin, gewisse Kontakte wahrzunehmen und mir oft wünsche, ich hätte eine Farm in Afrika……weißt du, was ich meine??
Danke für deine Gedanken, mal wieder!?
Liebe Katrin,
ich bin sicher in vielen Bereichen konsequent(er) als manch andere(r), ABER! Ich habe dennoch dieselben Gedanken und „Probleme“ bzw. Erkenntnisse. Ich glaube wir machen in unterschiedlichen Bereichen vieles gut. Du hast ja selbst schon erkannt, dass man unsere Leben letzten Endes, allein wegen der Kinder, auch nur schwer vergleichen kann. Hätte ich Kinder, würde ich vieles sicher ganz anders machen (müssen und vielleicht auch wollen).
Tatsächlich habe ich mich die letzten Tage auch immer mal wieder dabei erwischt, darüber nachzudenken, ob ICH seltsam bin. Weil ich eben all diesen „Kram“ als „Kram“ definiere und für mich gar nicht (also echt GAR NICHT) brauche. Ich vermisse nix. Ich blühe gerade regelrecht auf. Ich fühle mich SOOO leicht. Und statt das zu genießen höre ich die Stimme „Aha?! Ist das normal. Ist das denn echt? Oder verdrängst du das nur? Es leben doch alle so, mit vielen Sozialkontakten und gesellschaftlich angepasst. Kann das anders gut für dich sein?“ Manchmal isses total bekloppt.
Aber es ist bei mir genau so: ich süüre eine unfuckingfassbare, großartige Erleichterung.
Die Farm in Afrika hört sich großartig an. Wenn die Kinder groß sind? :-D
Danke für deinen Kommentar!