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Aus dem Leben Gedanken

Ode an den Müßiggang (und warum ich wünschte, ich hätte schon vor 20 Jahren dazu stehen können)

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Müßig(gang); mittelhochdeutsch müeʒec, althochdeutsch muoʒīg
= keiner [sinnvollen] Beschäftigung nachgehend; [auf gelangweilte Weise] untätig sein (Quelle: Duden.de)

Muße im Vergleich dazu mit positiver Konnotation; mittelhochdeutsch muoʒə, althochdeutsch muoʒa, verwandt mit müssen
= freie Zeit und [innere] Ruhe, um etwas zu tun, was den eigenen Interessen entspricht (Quelle: Duden.de)


Das Thema beschäftigt mich schon lange und es arbeitet in mir, seit ich denken kann. Ganz bestimmt vor allem, weil „Müßigsein“ in unserer Gesellschaft eher eine negative Konnotation besitzt und mit Faulheit gleichgesetzt wird. Faulheit wiederum zählt in der christlichen Theologie zu den sieben Hauptlastern (vgl. „Laster„), den „Wurzeln“ der Sünde. Entsprechend ist Müßiggang aller Laster Anfang.

Müßiggang hat in einer Leistungsgesellschaft keinen Platz.

Wir müssen funktionieren. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Einer der vielen Gründe, warum sich knapp die Hälfte aller Arbeitnehmer mindestens einmal pro Jahr krank zur Arbeit schleppt. Es könnte ja einer glauben, man würde sich eine Auszeit gönnen! Arbeit bestimmt unser Leben (als Augenöffner in Bezug auf die Zeit, die uns noch maximal bleibt, empfehle ich immer wieder „The Tail End“ – nichts, außer ein plötzlicher Todesfall/ein Schicksalsschlag, führt einem mehr vor Augen, was WIRKLICH zählt).


Meine persönliche Definition von Müßiggang deckt sich mit der Bedeutung von Muße. Ein Müßiggänger, nimmt sich die Zeit und Ruhe, um das zu tun, was den eigenen Interessen entspricht. Ich zähle mich zu den Müßiggängern und liebe es, das zu tun, was ich gerne mache und was meinen Interessen entspricht.

Dazu zu stehen, dass mir die typischen Arbeits- und Lebensmodelle zuwider sind, kostet mich auch heute noch viel Kraft. Denn man wird nur allzu schnell in eine Schublade gesteckt, sobald die Menschen hören, wie man lebt und arbeitet.

Ich habe für mich schon während meiner Schulzeit gespürt, dass mir die typischen Lebens-Konstrukte nicht entsprechen. Und doch wurde ich zu einem Menschen, der oft nur das tat, was andere erwarteten. Der das Spiel „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ so gut es ging mitspielte. Ich opferte meine Zeit von morgens um sieben, bis abends um sieben für meinen sexistischen Arbeitgeber. War loyal und stellte meine eigenen Bedürfnisse immer hinten an. Eine Extrawurst, ein Lob oder ein Danke gab es dafür nie.

Erst spät wurde mir klar, dass ich mehr von meinem Leben erwarte, als das, was „üblich“ ist. Jahr für Jahr wagte ich mich aus den vorgefertigten Strukturen heraus und rein in meine eigene Wahrheit. Eine Wahrheit die auf der einen Seite viele Menschen beeindruckt, auf der anderen Seite aber auch viele abstößt. Ich passe nicht in das Bild einer typischen Unternehmerin.

Wer nicht hart arbeitet ist faul

In den Köpfen vieler gilt jemand, der nicht „hart arbeitet“ (diese Definition schließt bei den meisten einen 9 to 5 Job mit ein), immer noch als fauler Sack. Gerade mein Beruf, der vorwiegend mit Kopfarbeit verbunden ist, ist in vielen Köpfen „keine richtige Arbeit“ und zudem etwas, das spottbillig angeboten werden muss. „Sind ja nur ein paar Klicks“.

Oft wird der Wert eines Menschen auch daran bemessen, was und wie viel er arbeitet. Teilzeit bei „Aldi an der Kasse“? Pfff! Als Manager von irgendwem oder irgendwas, den ganzen Tag arbeiten und dabei Familie, Freunde, die eigenen Bedürfnisse und die Gesundheit hinten anstellen? YEAH!

Für mich zählt nicht, wer wann, was und wie viel arbeitet, sondern nur, ob der Mensch dabei glücklich ist und sich das Leben verwirklich kann, das er sich wünscht. Und das trifft meinem Gefühl nach nicht mal auf die Hälfte der Arbeitnehmer zu. Viel zu viele Menschen sind unglücklich in ihrem Job.

Genau aus diesem, manchmal eher unterschwelligen, Unglück heraus entsteht nicht selten die Abneigung gegenüber unkonventionellen Arbeitsformen oder gar Lebensweisen. Die Gesellschaft fußt darauf, dass alles brav in den geregelten Bahnen läuft (was grundsätzlich ja auch bis zu einem gewissen Grad sinnvoll ist) und jedes Individuum in diesem Strom achtet penibel darauf, dass das so bleibt. Entsprechend schnell fällt man auf, wenn man gegen den konventionellen Strom schwimmt.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass hinter dieser offenkundigen Ablehnung zumeist der Wunsch nach mehr Zeit und einem erfüllteren Leben steckt. Ein Leben, das nicht nur von Arbeit geprägt ist. Und auch die Sehnsucht nach einem Arbeitsplatz, bei dem man sein Potenzial ausschöpfen kann und sich wohl fühlt.


Wie ich müßig lebe und arbeite

Mein Leben wird seit einigen Jahren nicht mehr von einem Arbeitgeber oder meiner Arbeit bestimmt. Der Beruf, den ich ausübe, passt in keine Schublade. ICH BIN MEIN BERUF. Mein Beruf, der mich zutiefst mit Glück und Zufriedenheit erfüllt. Viele meiner Talente und meine Vielfalt fließen ineinander und ergeben so eine Fülle an Möglichkeiten.

Ich habe nicht den typischen 9 to 5 Job. Es gibt Zeiten, in denen ich mir Zeit nehme und die Arbeit spontan ruhen lasse. Und andere Tage, an denen ich von morgens bis abends beschäftigt bin. Ich arbeite um zu leben und lebe nicht, um zu arbeiten. Meine Freizeit und persönliche Entfaltung sind mir heilig.

Ich habe aufgehört, mich zur Kreativität oder Produktivität zu zwingen und Phasen des „Nichtstuns“ unterdrücken zu wollen. Für mich sind sie Lebenszyklen, die dazu gehören. Ruhe und Energie müssen sich abwechseln, alles andere ist für mich ungesund.

Und ich habe aufgehört, mich dafür zu schämen, dass ich mein Leben leben möchte, statt es zu einem Großteil damit zu verbringen, zu arbeiten.

In meinem gesamten Umfeld kenne ich niemandem, dem der Spagat zwischen Freizeit und Arbeit gelingt und der in diesem Bereich glücklich ist. Alle sind gestresst, unzufrieden, traurig, ausgelaugt oder alles zusammen. Wieso also sollte ich mich überhaupt noch dafür schämen, es anders (für mich eben besser) zu machen als andere?


Ich bereue die (in diesem Kontext insbesondere beruflichen) Erfahrungen der letzten 20 Jahre nicht. Allerdings hätte ich mir vieles an Leid ersparen können, wenn ich sofort auf meine innere Stimme gehört und MEINEN Weg eingeschlagen hätte.

Rückblickend betrachtet habe ich viel Zeit damit verschwendet, mich in dieses System zu pressen oder pressen zu lassen. Und auch damit, zu verleugnen, wie ich ticke und wer ich bin. Gerade in Bezug auf meine beruflichen Überzeugungen.

Müßiggang ist für mich die hohe Kunst des Lebens und unfassbar wertvoll. Viel mehr Menschen sollten anfangen, Muße zu haben und müßig zu sein. Und anfangen zu begreifen, dass es dabei keineswegs darum geht, den ganzen Tag rumzutrödeln und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Aus den Phasen der Entschleunigung kann so viel Gutes entstehen. Da ist so viel Raum für Kreativität, für Liebe, Selbstverwirklichung und Heilung. Nutzt diesen Raum!


Buchempfehlungen*

8 Antworten auf „Ode an den Müßiggang (und warum ich wünschte, ich hätte schon vor 20 Jahren dazu stehen können)“

Oh der Beitrag ist ja so toll & trifft sehr auf mich zu! Ich teile mir meine Zeit tagsüber ein und mache auch gerne nochwas abends, wenn meine Mädels im Bett sind. Aber Blogger… der Job wird ja eh von vielen nicht ernst genommen. Damit kann man doch kein Geld verdienen, das ist doch keine richtige Arbeit, das kann ja jeder!

Ohja, speziell in Bezug auf den Beruf rund um das Bloggen hat man es irgendwie noch schwerer. Bei mir hat auch bis heute kaum jemand verstanden, was ich WIRKLICH mache. Die meisten fragen aber auch gar nicht mehr, wie es läuft, was ich mache oder so – sie verstehen es eh nicht.. Meine Oma hat vor ein paar Tagen aber noch gefragt, wann ich denn wieder anfange zu arbeiten. Läuft! ;-)

Liebe Sandra!
Ich verspüre gerade tiefen Neid – auch eine Todsünde, oder?
Meine Work-Life-Balance passt null. Und wenn ich dann endlich abends daheim bin, bin ich einfach ko und würde am liebsten nur die Wand anstarren. Oder vertrödel meine Zeit auf Instagram, weil mir die Energie fehlt, mein eigenes Leben auch noch zu leben nach einem langen Arbeitstag. Verrückt ist das.
Vor kurzem ist mir der Gedanke gekommen: Vielleicht war es keine gute Idee, eine Wohnung zu kaufen? So kann ich nie „vom Gas gehen“ – andererseits: Mieten ist bei uns nicht billiger, macht’s also nicht besser. Das liebe Geld. Ein Teufelskreis :-)
Liebe Grüße, Simone

Liebe Simone,

ich finde gesunden Neid ja gar nicht sündig, aber vermutlich interessiert das nur Wenige :-D

Jedenfalls: ich vermute, dass du damit in bester Gesellschaft bist. Zumindest in meinem Umfeld geht es allen sehr ähnlich wie dir.

Mit der Wohnung das verstehe ich allerdings nicht ganz: wieso kannst du deshalb nie ganz vom Gas gehen?
Für uns sind die Eigentumswohnungen die wir haben ein echter Segen. Gerade wenn sie abbezahlt sind kann man doch günstiger kaum wohnen und man hat immer die Möglichkeit sie zu beleihen oder zu verkaufen, falls mal wirklich was Krasses ist.

Weil bei uns leider die Wohnungspreise derartig hoch sind, dass man entweder einen sehr guten Startpolster braucht (den wir leider nicht hatten), oder monatlich ziemlich viel Kredit zurückzahlen muss.
Das übt natürlich noch zusätzlich Druck aus – „Wenn ich es nicht mehr schaffe meine Leistung zu erbringen, können wir die Wohnung nicht mehr bezahlen, oder uns nichts mehr im Leben leisten“ – verstehst du was ich meine?

Liebe Simone,
das verstehe ich sogar sehr gut! Der Druck in Bezug auf den Kredit, den stelle ich mir fies vor. Davor hätte ich auch Angst. Wir sind aktuell nicht in dieser Lage, weil wir noch keinen Kredit aufgenommen haben, aber genau dieser Druck ist es, der mich bisher auch davon abgehalten hat, einen Kredit aufzunehmen. Dieses ewige „Was ist, wenn…“ das kann ich echt sehr nachempfinden.

Genau – das „Was ist, wenn“ macht Druck. Dabei haben wir uns eine wirklich kleine Wohnung ohne viel Luxus gekauft. Aber bei m²-Preisen über €4.500,00 ist auch was Kleines schon Luxus :)

Aber das ist natürlich generell ein gesellschaftliches Problem, da müssen einfach so viele durch.

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